Tops und Flops

09.09.2018

Vor der Reise haben wir viel Zeit und Geld investiert, um die Krassy für unser bevorstehendes  Abenteuer auszurüsten. Die Kategorie „Vorbereitungen“ unseres Blogs dokumentiert ja so einiges dessen, was wir gemacht haben. Wir haben im Vorfeld viel recherchiert, uns Anregungen geholt, und geschaut, was andere gemacht haben, die auf ähnliche Reisen gegangen sind. Und natürlich haben wir unsere eigenen Vorstellungen und Ideen eingebracht und umgesetzt. Aber erst in der Retrospektive kann man beurteilen, welches Projekt, welche Anschaffung sich wirklich gelohnt hat, und was eher – naja – Zeit- und Geldverschwendung war. Daher haben wir hier mal einige Tops und Flops aufgelistet, für all die da draußen, die vielleicht auch eine ähnliche Reise planen. Oder für uns, wenn es bei uns demnächst losgeht – auf unserer Dragonfly 35 (naja, das muss ich noch mit Steffi klären :D).

Die Bewertung sieht von Top bis Flop wie folgt aus: ++, +, o, -, —

 

++     Die Solarpanels  – Top

Die Solarpanels haben sich definitiv gelohnt. Man sieht kaum eine Langfahrtyacht ohne. Unsere 200W haben in der Regel gereicht, um unsere Batterien geladen zu halten. Einzig auf der ersten Atlantiküberquerung war es zum Teil etwas knapp, weil wir ab dem Nachmittag größere Abschattungen durch die Segel hatten. Die selbstkonstruierten Aufsteller haben auch bestens funktioniert, allerdings haben wir immer nur zwei Positionen benutzt: Ganz hochgeklappt oder ganz runtergeklappt. Nun, nach einem Jahr, sind die Aufsteller doch etwas verbogen. 4mm Materialstärke war dann doch bisschen knapp, beim nächsten Mal würde ich 6mm Materialstärke nehmen.

O     Der Windgenerator – Kann man auch drauf verzichten

Wir haben uns ja bewusst für einen Windgenerator entschieden, der nicht so leistungsstark ist, dafür aber recht laufruhig sein soll. Von Laufruhe kann man nicht gerade sprechen, und die Leistung war eher mau. Bis zu unserer Ankunft in der Karibik waren wir davon überzeugt, dass er reine Geldverschwendung war. Beim Segeln bringt er nichts, außer vielleicht beim Amwind-Segeln. Ist die See auch noch bewegt, eiert er wie wild um seinen Mast herum, und produziert dabei kaum messbar Energie. Am Ankerplatz sieht die Welt allerdings anders aus. Hier bewegt sich das Boot kaum, und wenn der konstante Passatwind mit 5-6 Windstärken weht, wird auch ordentlich geladen. So sind wir häufig mit vollgeladenen Batterien aus der Nacht gekommen. Allerdings hatten wir auch genug Sonne, um die Batterien solar zu laden. Wir würden beim nächsten Mal eher auf den Windgenerator verzichten und dafür noch etwas mehr auf Solar-Energie setzen.

++     Batteriemonitor – Totale Kontrolle

Zwei Plus-Zeichen reichen hier eigentlich gar nicht aus. Wenn man seinen eigenen Strom produzieren will, braucht man auch eine sinnvolle Kontrollmöglichkeit. Es gibt zwar viele „Experten“, die von sich behaupten, aus der Batterie-Spannung allein den Ladezustand ihrer Batterien herauslesen zu können, aber das funktioniert nur, wenn aus den Batterien gerade nichts entnommen wird und sie gerade auch nicht geladen werden. Und wann ist das schon der Fall? Ein Batteriemonitor liefert den Ladestand der Batterien zuverlässig und präzise, und liefert wertvolle Informationen zum momentanen Verbrauch und der Ladeleistung.

–     LPG-Tankflasche – Schöne Idee, aber nicht praxisgeeignet.

Mein Vater hat eine ideale Lösung für das Gasversorgungs-Problem gefunden – So dachten wir. Wir hatten eine spezielle Tankflasche dabei, die man an LPG-Autogas-Tankstellen füllen lassen kann. Allerdings ist das in der Praxis gar nicht so einfach. In vielen Ländern ist das Befüllen von Gasflaschen an LPG-Tankstellen nicht erlaubt. Und obwohl diese Flasche einen Sicherheitsmechanismus eingebaut hat, der verhindert, dass sie überfüllt werden kann, und alle entsprechenden Normen und Standards erfüllt, war es immer mit Diskussionen verbunden. Am Ende tankten wir die Flasche zwei Mal auf. In Hamburg vor unserer Reise und auf Gran Canaria. Beide Male gab’s Diskussionen, und in Spanien kam noch eine Sprachbarriere hinzu. Am Ende fuhren wir mit ein paar Füll-Adaptern für die ganz normalen grauen deutschen Propangasflaschen am besten. Füllservices gibt es überall, und wenn man die passenden Adapter dabei hat, gibt es auch keine Probleme. Der US-Fülladapter sollte für die Karibik dabei sein. Unsere LPG-Flasche hatte übrigens noch eine zweite Schwäche: Sie ist völlig verrostet. Trotz liebevoller Pflege ist sie jetzt völlig vergammelt und reif für die Tonne. Die Standard-Flasche, die wir noch dabei hatten, hat kaum Rost angesetzt.

++     Gasfernschalter – Geht’s etwa auch ohne?

Was das Thema Gas angeht, sind wir sehr vorsichtig. Wir haben die Gasflasche immer zugedreht, wenn wir sie nicht brauchten. Allerdings sind die Flaschen bei der Krassy vorne im Ankerkasten. Ganz schön lästig, da ständig hinzuturnen, um die Flasche zu öffnen und zu schließen. Unser Gasfernschalter, neben dem Herd angebracht, macht das auf Knopfdruck. Ein kleines Stück Equipment, eine große Erleichterung. Und ein Sicherheitsgewinn! Karsten und Carla, vielen Dank noch einmal für den guten Tipp!

O     Wassersammelplane – Kann, muss aber nicht

Steffi hat recht viel Arbeit investiert, um eine Wassersammel-Plane zu bauen, die man über das Achterschiff spannen kann. Wir waren ohne Watermaker unterwegs, und legten Wert darauf, notfalls etwas Wasser sammeln zu können. Genutzt haben wir die Plane aber nur ein oder zwei Mal, und dann eher zum Testen. Funktioniert hat sie gut, aber auch nur, wenn es recht windstill ist.

+     Katatyn-Sack – Mobiler Wasserfilter

Wir hatten keine Lust, auf der Reise ständig Wasserflaschen schleppen zu müssen. Daher beschlossen wir, unser gutes Tankwasser zu trinken. Da wir aber auch wissen, wie der Tank trotz regelmäßiger Pflege von innen aussieht, wollten wir das Wasser nicht ungefiltert trinken. Von Katadyn gibt es einen 10l-Wassersack mit eingebauter Filterkerze, die das gammeligste Wasser sicher trinkbar macht. Dieser Sack hing bei uns bis zu den Kanaren in der Pantry, und leistete treue Dienste.

++     Einbau-Wasserfilter – Wasserfiltern für Profis

Der Katadyn-Sack hat sich bewährt, baumelte aber ständig in der Pantry rum. Und als wir mal bei Willi und Magali auf der Vela Dare zu Besuch waren, zeigte uns Willi seinen eingebauten Aktivkohle-Wasserfilter und wir waren direkt überzeugt: Den wollen wir auch haben! Wir bestellten ihn kurzerhand bei SVB, und Maik und Svenni, die uns auf den Kanaren besuchten, brachten uns alles mit. Seitdem kam bei uns direkt trinkbares Wasser aus dem Hahn. Selbst in Regionen, in denen sich viele Leute bezüglich der Wasserqualität ins Hemd machten, tranken wir munter unser Tankwasser und hatten keinerlei Probleme. Allerdings wollten die Filterkartuschen regelmäßig getauscht werden, denn irgendwann tröpfelte das Wasser nur noch aus dem Hahn. Mit einem ordentlichen Vorfilter hätten wir wahrscheinlich nur halb so viele Kohlefilter-Kartuschen benötigt.

+     Wassersteckdose – Duschen an Deck

Alte Boote wie die Krassy sind zum Segeln gebaut, nicht zum Planschen. Also gibt es serienmäßig keine ordentliche Badeplattform,  und erst recht keine Außendusche. Weil wir aber wussten, dass wir viel schwimmen, schnorcheln und planschen würden, wollten wir eine Möglichkeit schaffen, uns an Deck abzuduschen. Die Gardena-kompatible Wassersteckdose aus dem Camping-Bedarf, montiert im Schwalbennest, war genau die richtige Lösung. Einzige Schwäche: Nichts für Warmduscher.

O     Seewasserdusche – Wichtig, aber verbesserungswürdig

Wassersparen ist auf langen Seestücken essentiell. Also wurde während der Atlantiküberquerungen mit Seewasser geduscht und gespült. Anfangs nutzten wir die Pütz, dessen Inhalt wir uns gegenseitig über den Kopf gossen. Es war aber anstrengend und nicht ganz risikofrei, bei voller Fahrt den Eimer nach außenbords zu werfen. Daher bastelten wir uns eine Seewasserdusche, bestehend aus einer Bilgenpumpe, die wir an der Badeleiter befestigten. Klappten wir die Badeleiter runter, war die Pumpe unter Wasser und konnte Seewasser fördern. Verbunden mit einem langen Schlauch und versorgt über ein noch längeres Kabel mit einem 12V-Stecker, konnten wir dann tatsächlich im Cockpit mit reichlich Wasser duschen. Allerdings war das ganze System unhandlich und störanfällig. Beim nächsten Mal würden wir auf jeden Fall eine Druckwasserpumpe für Seewasser fest verbauen, die ggf. über ein zusätzliches Seeventil Wasser ansaugt. Wie wichtig fließendes Seewasser auf so einer Reise ist, haben wir auch erst unterwegs gelernt.

++     Vorratsboxen – Keine Chance für Ungeziefer

Unsere Schränke waren während der Reise meistens randvoll mit Lebensmitteln aller Art. Ein Paradies für Ungeziefer! Um sicherzustellen, dass alles frisch und sicher verstaut ist, haben wir jede Menge Kunststoffflaschen und -Container genutzt. So waren lose Lebensmittel wie Mehl, Reis, Linsen, Erbsen, Nudeln usw. sicher verpackt und vor Feuchtigkeit und Ungeziefer geschützt. So hatten wir keinen einzigen Zwischenfall mit vergammelten oder befallenen Lebensmitteln an Bord. Absolut wichtig für so eine Reise!

++     Schnellkochtopf – Oma wusste schon, was gut ist

Schnellkochtöpfe sind irgendwie aus der Mode gekommen. Wer nutzt die heute zu Hause noch? Aber was für Oma gut war, muss für uns ja nicht schlecht sein. Und gerade an Bord gibt es viele gute Gründe, einen Schnellkochtopf mitzuschleppen. Ressourcen sind immer knapp – auch Gas. Reis, Kartoffeln, Kochbananen, Erbsensuppe und vieles mehr lassen sich im Schnellkochtopf absolut gassparend zubereiten. Wir ließen ihn einmal hochkochen, schalteten den Herd aus, und warteten, bis der Druck abgesunken ist. Fertig war das Essen! Wir haben uns einen Topf ausgesucht, der auch ohne Druck mit Deckel benutzt werden kann. So konnte auch nichts auslaufen, wenn mal bisschen Bewegung im Boot war und der Inhalt des Topfes ordentlich hin- und her schwappte.

+     Campingaz Grill –Weber-Grill to go

Man nimmt sich häufig vor, dass man auf so einer Reise viel grillt. Aber irgendwie bekommen wir das nicht geregelt. Vor allem nicht mit Holzkohle. Ein schöner Kompromiss ist der Campingaz-Grill. Er besteht aus einem Campingaz-Kocher mit einem beschichteten Grill-Aufsatz. Der Kocher läuft mit den kleinen Standard-Campingaz-Flaschen und ist auch gut zu verstauen. Unser Grill ist eine Leihgabe von Steffis Vater und wir haben ihn oft und gerne benutzt. Eine schöne Alternative zum aufwändigen Holzkohle-Grillen. Übrigens: Der Campingaz-Kocher kann auch mal als Notlösung benutzt werden, sollte es Probleme mit der Gasanlage am Boot geben. Fällt der Herd mitten auf dem Atlantik aus, ist die Aussicht auf wochenlang kalte Küche nicht gerade attraktiv…

+     Bomba – Sinnvoller Euroartikel

Spätestens ab den Kanaren wird man regelmäßig auf die großen 5-8l Wasserkanister stoßen. Für die Atlantiküberquerungen haben wir neben unserem Tankwasser noch viel Wasser in Kanistern mitgenommen. Allerdings ist das Abfüllen von Wasser aus den großen Kanistern bei Seegang etwas abenteuerlich. Helfen tut hier die Bomba – eine einfache Pumpe, die man auf den Behälter schraubt, und mit der sich das Wasser sauber und einfach dosieren lässt. Manchmal sind es die einfachen Dinge im Leben, die selbiges erleichtern.

++     Windpilot – unser bester Freund

Harald, unser Windpilot, ist ein echtes Mitglied der Familie geworden. Aus unserer Sicht ist eine Windsteueranlage auf so einer Reise unverzichtbar. Er hatte zwar gelegentlich seine Allüren, aber auf den langen Strecken, als es wirklich darauf ankam, hat er uns nie im Stich gelassen. Hätten wir dauerhaft einen elektronischen Autopiloten nutzen müssen, wäre unser Energiekonzept sicher nicht so gut aufgegangen.

+     Dyeema-Kutterstag – die große seglerische Freiheit

Wir haben vom Riggbauer unseres Vertrauens ein zweites Vorstag aus Dyneema nachrüsten lassen. Es ermöglichte uns, seglerisch sehr flexibel zu sein. So konnten wir die klassische Passatbesegelung fahren, nutzten es sehr viel für unser bewährtes Dreier-Segel-Setup und hätten mit ihm die Möglichkeit gehabt, einfach und sicher eine Sturmfock zu fahren. Da sich bei der Krassy konstruktionsbedingt ein Anschlagpunkt für das zweite Vorstag aufdrängte, das sehr weit vorne und somit sehr nah am ersten Vorstag liegt, brauchten wir eine wegnehmbare Lösung. Ein Vorstag aus Dyneema nimmt mehr Kräfte auf als ein gleich starkes Stahlstag. Gleichzeitig lässt es sich einfach wie ein Fall am Mast wegbinden. Das war für uns die ideale Lösung. Mit einem Schnellspanner lässt es sich einfach setzen und wieder wegnehmen. Einziger Schwachpunkt: Das Stag reckt, wenn es frisch gesetzt wird, etwas aus. Früher oder später muss es also nachgespannt werden, was bisweilen etwas lästig war.

—     Sea Bands – Schade eigentlich

Auf der Suche nach einem preiswerten Mann-Über-Bord-Alarmierungs-System sind wir über die Sea Bands gestolpert und waren direkt begeistert. Diese MOB-Armbänder bauen eine Bluetooth-Verbindung zu einem oder mehreren Smartphones / Tablets auf und werden dort überwacht. Sobald einer mit Sea Band baden geht, reißt die Bluetooth-Verbindung ab, und ein Alarm ertönt. Leider hatten wir nur Probleme mit den Armbändern. Erst gab es Kontaktprobleme im Batteriefach, sodass die Armbänder ständig ausfielen. Kulanterweise tauschte der Hersteller uns die Bänder noch aus, weil er das Problem bereits erkannt und gelöst hatte. Aber auch die neuen Bänder überzeugten nicht. So wurden wir ständig von Fehlalarmen aufgeschreckt. Und wie bei dem Kind, dass ständig „Wölfe“ ruft, ignorierten wir irgendwann den Alarm. Also nutzten wir sie gar nicht mehr. Die Idee ist nach wie vor gut, und vielleicht funktionieren die Armbänder mittlerweile besser. Aber für unsere Reise waren sie leider ein Flop.

O    Salingsleiter – Hoch hinaus

Man schaut sich ja so einiges ab bei anderen Seglern. So haben wir bei einem holländischen Boot eine einfache Salingsleiter gesehen, die wir kurzerhand nachgebaut haben. Ein paar kurze, aber starke Leinenstücke, mit Stoppersteks in die Unterwanten gebunden, und schon kann man locker flockig bis in die Saling hochklettern. Wir dachten, dass man sie gut nutzen könnte, um sich in der Karibik oder auf den Bahamas einen Überblick zu verschaffen, wenn man um Riffs herum navigieren muss. Tatsächlich haben wir sie aber nie zum Ausguck benutzt. Sie hat uns aber das Leben erleichtert, wenn wir mal für Kontrollen oder Arbeiten in den Mast klettern mussten.

++     Angel – Muss man dazu noch etwas sagen?

Steffi hat viel Zeit und Mühe investiert, um uns eine einfache Schleppangel zu bauen. Pünktlich zum Start über den Atlantik war sie dann auch fertig und war seitdem eigentlich ständig im Einsatz. Unsere anglerischen Erfolge sprechen für sich. Wie auch immer sie aussehen mag – wer so eine Reise ohne Angelequipment macht, verpasst etwas!

+     Tablet – Kartenplotter für Arme

Wir sind nicht gerade die größten Freunde von Klicki-Bunti-Navigation. Wir hatten fast alle Karten für die Reise in Papierform vorliegen und sind klassisch mit Bleistift und Kursdreieck navigiert. Oft jedoch werden mit Papierkartensätzen auch digitale Karten mitgeliefert. Die lassen sich gut auf einem Tablet nutzen. Geeignete Apps gibt es mittlerweile zu Hauf. Unser Tablet ist wasserdicht und wir nutzten es in erster Linie, um die AIS-Lage anzuzeigen. Und in der Karibik oder im englischen Kanal war es natürlich auch ganz nett, auf einen Blick zu sehen, wo man sich gerade befindet. Wozu ein Vermögen in einen Kartenplotter investieren?

++     Iridium-Telefon – Unsere Verbindung mit der Außenwelt

Wir hatten recht früh entschieden, uns ein Iridium-Telefon zuzulegen. Das nutzten wir auf See intensiv, um unseren Familien tägliche Nachrichten zu schicken, um Wetter herunterzuladen, und um gelegentlich mal in einem Hafen anzurufen, um uns einen Liegeplatz zu sichern. Außerdem hätten wir mit ihm die Möglichkeit gehabt, im Notfall direkt Bremen Rescue zu erreichen. Vor allem aber ging es uns um die Möglichkeit, an Wetterdaten zu kommen. Das hat auch erstaunlich gut funktioniert. Wir würden nicht mehr ohne losfahren!

O     Navtex – Sehr zugeschnitten für die Berufsschifffahrt

Wir kauften uns einen Navtex-Empfänger, um auf längeren Etappen an Wetter zu kommen, ohne Iridium-Guthaben verbrauchen zu müssen. Aber das Fazit fällt hier gemischt aus. Solange wir an der Küste entlang gefahren sind, holten wir uns Wetter aus dem Netz. Auf den langen Ozeanpassagen hatten wir, wie erwartet, kaum Navtex-Empfang. Und auf den mittellangen Strecken, wie z.B. der Biskaya-Querung oder dem Weg nach Madeira, waren die Navtex-Daten zwar nice to have, aber nicht so richtig hilfreich. So bekamen wir auf der Biskaya immer nur 24h-Prognosen. Für die Berufsschifffahrt reicht das, für uns, die wir drei Tage benötigen würden, war das aber bisschen mau. Und draußen, auf den atlantischen Gewässern, konzentriert sich das Navtex-Wetter eher auf Sturmwarnungen. So kann man zwar Stürmen ausweichen, weiß aber trotzdem nicht, mit was für einem Wetter man vor Ort rechnen muss.

Diese Liste ist sicher nicht vollständig, und wir haben bestimmt das ein oder andere wichtige Stück Equipment vergessen. Oft sind es ja Kleinigkeiten und alltägliche Gegenstände, die darüber entscheiden, ob das Leben an Bord einfach und angenehm ist, oder ob es nervt. Solltet ihr noch etwas vermissen, oder interessiert euch unsere Meinung zu einem Ausrüstungsgegenstand, der hier nicht erwähnt wurde, schreibt uns einfach eine Nachricht!

-Christian

Unsere Reise in Zahlen

02.09.2018

Jetzt gibt es mal zur Abwechslung keinen spannenden Reisebericht und auch keine bunten Bilder von uns. Es gibt ja auch nicht so viel zu berichten momentan. Wir haben uns aber mal die Mühe gemacht, all unsere Logbücher zu durchforsten, um euch (und natürlich auch uns selbst) ein paar harte Zahlen und Fakten zu unserer Reise präsentieren zu können.

Bilanz:

Seemeilen gesamt 13.450
Reisedauer 372 Tage
Besuchte Länder 17
Besuchte Orte (Marinas und Ankerplätze) 99
Segeltage 193
Nächte auf See 86
Nächte im Hafen 223
Nächte vor Anker / an Bojen 63
Motorstunden 534
Diesel verbraucht 1.600 l
Seemeilen unter Motor (ca.) 2.200
Iridium-Minuten verbraucht 420

Rekorde:

Längste gesegelte Strecke 2.942 sm
Kürzeste gesegelte Strecke 2 sm
Längste Zeit auf See 23 Tage
Bestes Etmal 158 sm
Höchste gemessene Geschwindigkeit 9 kn
Höchste gemessene Windstärke 8 Bft
Größte signifikante Wellenhöhe 3,0 m
Höchste gemessene Temperatur 38 °C
Niedrigste gemessene Temperatur 12 °C
Teuerster Hafen (Nassau), ca. 60 €
Billigster Hafen (Wedel), ca. 10€
Größter gefangener Fisch 1,0 m

Back to normal

19.08.2018

Wir hatten versprochen noch ein bisschen weiter zu schreiben und euch zu erzählen, wie wir nach unserer großartigen Reise wieder im Alltag ankommen und wir haben euch nicht vergessen, auch wenn es ein wenig gedauert hat, bis wir uns wieder zum schreiben aufraffen konnten. Es ist erstaunlich schwierig sich wieder an den Blog zu setzen, wenn man nicht mehr auf Reisen ist…

Die Krassy haben wir in Cuxhaven gut versorgt und sie dort erst mal zurückgelassen, damit sie sich von den Anstrengungen der langen Reise ein wenig erholen kann :-). Wie ihr ja wisst wurde die Zeit für uns langsam knapp, denn am 1. August erwarteten uns unsere Chefs wieder zurück am Schreibtisch, mich in Hamburg, Christian in Bremen. Wir packten in der glühenden Hitze, die in Deutschland immer noch herrschte, alle unsere Sachen zusammen und suchten dafür alle Tüten und Taschen zusammen, die wir auf der Krassy finden konnten. Es ist schon erstaunlich, wie viel Zeug sich in einem Jahr ansammelt… Gleichzeitig mussten wir die Krassy aber natürlich auch noch saubermachen und sie für einen kleinen Aufenthalt in Cuxhaven bereit machen.

Während ich also schon mal anfing zu packen ging Christian los um uns einen Mietwagen zu organisieren. Nach und nach leerte sich dann die Krassy und der Kofferraum und die Rückbank des Autos füllten sich. Es war schon sehr merkwürdig, ein fast leeres Boot zurückzulassen, das doch zuvor so sehr zu unserem zuhause geworden war und gleichzeitig zu sehen, dass unser ganzes Leben in ein Auto gepackt war.

Ein bisschen wehmütig machten wir uns also auf den Weg nach Hamburg. Jetzt war die Reise wirklich vorbei und das Abenteuer Alltag stand uns bevor. Dafür bekamen wir dank einiger Umleitungen sogar noch eine Stadtrundfahrt durch den Hafen, die Hafencity, die Speicherstadt, die Mönckebergstraße und entlang der Außenalster von unserem Navi. Hamburg begrüßte uns mit seinen schönsten Sehenswürdigkeiten! Zum Glück konnten wir noch am Montagabend unsere Wohnung in Hamburg wieder beziehen. Unser Zwischenmieter war schon ausgezogen, hatte alles blitzblank sauber gemacht und die Wohnung in einem Top-Zustand hinterlassen. Wir bekamen noch am Abend unsere Schlüssel zurück, schleppten unsere Sachen aus dem Auto in den dritten Stock und suchten uns dann völlig ausgehungert ein Restaurant in der Nachbarschaft wo wir auf das wohl schönste Jahr unseres Lebens anstießen.

Unser letzter freier Tag bevor es wieder zurück zur Arbeit gehen sollte ging damit drauf, dass wir unsere Sachen wieder einräumten, die ersten Kisten vom Dachboden holten, Wäsche wuschen (was für ein Luxus!) und gleichzeitig großzügig unsere Sachen aussortierten und wegwarfen. Schon vor der Reise hatten wir großzügig Dinge weggeworfen, die wir nicht mehr brauchten und wir waren ein wenig überrascht, wie viele Sachen wir jetzt trotzdem noch fanden, die wir wirklich nicht mehr brauchen. Man wird doch deutlich genügsamer, wenn man ein ganzes Jahr lang auf einem 10-Meter-Segelboot gelebt hat…

Als wären wir nie weg gewesen fuhren wir am nächsten Morgen zur Arbeit. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit sollten wir einen ganzen Tag lang getrennt sein und das gefiel uns gar nicht. Aber unsere Kollegen empfingen uns beide herzlich und freuten sich, dass wir wieder zurück waren. Wir stellten wieder mal fest, dass deutlich mehr Leute unseren Blog gelesen hatten als wir gedacht hatten und jeder von uns freute sich über das große Interesse an unserem Abenteuer. Aber natürlich gab es auch für uns viel Neues zu erfahren, denn das Leben in der Heimat hat natürlich nicht stillgestanden, nur weil wir nicht da waren und so wollten auch wir erfahren, was bei unseren Kollegen und in unseren Firmen so los war während wir den Atlantik erkundeten.

Mittlerweile sind über 2 Wochen zurück im Job vergangen und das wie im Flug. Während der Reise hatte besonders ich einige Schwierigkeiten mit dem Gedanken bald wieder zurück zur Arbeit zu müssen, aber jetzt wo wir wieder zurück sind fällt mir der Alltag erstaunlich leicht. Die Arbeit macht wieder richtig Spaß und auch der geregelte Alltag tut mir sehr gut. Einzig, dass ich Christian kaum noch sehe stört mich doch gewaltig…

Während für mich schon die Tickets für meine nächste aufregende Dienstreise nach Indien und China gebucht sind, kämpft Christian ein wenig mehr mit dem Alltag, denn die Deutsche Bahn hat ihn nicht gerade herzlich empfangen. Gerade als die neue BahnCard100 gekauft war ging es los mit endlosen Verspätungen und Zugausfällen, sodass gleich die erste Woche zu einer kleinen Zerreißprobe wurde. Dann zog auch noch ein heftiges Gewitter über Norddeutschland und Christian saß stundenlang an verschiedenen winzigen Bahnhöfen irgendwo zwischen Hamburg und Bremen fest. Sein Job ist zwar auch wieder super (Christian ist einer der wenigen Menschen, die ich kenne der so RICHTIG gerne arbeitet!), aber die Pendelei ist nach einem Jahr Auszeit offenbar noch anstrengender als vorher. Jetzt schauen wir doch mal nach einem Auto, denn das würde es Christian deutlich leichter machen zu pendeln.

Trotzdem haben wir uns erstaunlich schnell wieder in Hamburg eingelebt. Unsere Stadt ist einfach schön und bei dem sommerlichen Wetter macht sie natürlich besonders viel Spaß. Vor allem haben wir aber wohl gelernt unsere Zeit wieder richtig zu genießen und so machen wir aus der Zeit, die wir zusammen haben nun noch mehr als wir das vor der Reise getan haben. An den Wochenenden sind wir in Hamburg unterwegs, richten unsere Wohnung ein bisschen her und kochen zusammen. Irgendwie muss man die vielen Stunden, in denen wir uns nicht mehr sehen ja schließlich ausgleichen.

Und was macht eigentlich die Krassy? Wir haben in der Zwischenzeit herumtelefoniert und eine Werft in Cuxhaven gefunden. Der Werkstattmeister war sogar schon vor Ort, hat sich den Motor angeschaut und festgestellt, dass man doch ganz gut an alles herankommt. Wir sind also guter Hoffnung, dass der Motor für die Reparatur wahrscheinlich nicht ausgebaut werden muss und das ist eine echte Erleichterung. Am Freitag hat Christian also zusammen mit seinem lieben Kollegen Hajo die Krassy aus dem Vereinshafen in Cuxhaven rüber zur Werft gebracht. Die beiden fuhren nach der Arbeit von Bremen aus hoch zur Küste und mit Hilfe der Außenborder-Konstruktion die wir in Holland gebaut haben konnten sie die Krassy sicher von A nach B bringen. Christian musste dabei übrigens nach langer Zeit mal wieder ein Hafenmanöver fahren. Auf der Reise und auch schon vorher war ich es nämlich immer, die die Krassy in den Hafen rein und wieder hinaus brachte…

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Die Krassy am Steg vor der Werft

Wir warten jetzt darauf von der Werft zu hören wann es los gehen kann und dann wird Christian sicher noch mal nach Cuxhaven müssen, denn die Reparatur würde er gerne schon live mitbekommen, allein schon um dabei noch ein wenig mehr über unseren alten Motor zu lernen. Vorbereitet ist schon alles, denn Christian und Hajo haben auch gleich noch alle Türen ausgehängt und die Schränke leer geräumt, die vielleicht im Weg sein könnten. Ein wenig sah es dabei übrigens so aus als hätte schon mal jemand die Zylinderkopfdichtung ausgebaut…

Unsere Seekarten haben wir übrigens in der letzten Woche bei ebay verkauft. Die Karten sind extrem teuer und nur begrenzt gültig, also konnten wir einen Teil unserer Kosten wieder reinholen und ein anderer Segler kann sich nun auf seine bevorstehende Reise vorbereiten. Einzig die große Überseglerkarte haben wir behalten, denn dort haben wir fast unsere ganze Reise eingetragen. Wir werden uns für dieses Schätzchen noch einen Bilderrahmen anfertigen lassen und dann bekommt sie einen Ehrenplatz in unserem Wohnzimmer.

Das Satellitentelefon wollte bisher noch niemand haben, aber auch das werden wir weiterverkaufen. Es hat uns zwar gute Dienste geleistet, aber vorerst haben wir natürlich keine Verwendung mehr dafür.

Tja, so schnell ist unsere großartige Reise vorbei. Wir haben ein bisschen was riskiert um uns dieses Jahr zu ermöglichen und gelernt, dass es einen starken Willen braucht um die Entscheidung zu treffen tatsächlich loszufahren. Dann braucht es noch ein gutes Stück Organisationstalent um alles vorzubereiten und gelegentlich muss man auch ein wenig Durchhaltevermögen zeigen wenn man einmal unterwegs ist, aber wir bereuen nicht eine Sekunde, dass wir die Reise gemacht haben sondern sind stolz und glücklich, dass wir es geschafft haben. Wir sind im ganzen letzten Jahr nicht einmal krank gewesen, haben außer einer kleineren Verbrennung und einem aufgeschlagenen Ellenbogen keine nennenswerten Verletzungen gehabt und auch die Krassy hat – abgesehen von der Motorgeschichte – wirklich gut durchgehalten! Das ist alles nicht selbstverständlich, es gehört auch bisschen Glück dazu, aber es hat gereicht um uns das – bisher – schönste Jahr unseres Lebens zu bescheren. Egal wie alt wir mal werden, diese Reise werden wir niemals vergessen! Und falls uns der Alltag doch mal nerven sollte, dann können wir uns jederzeit zurück in die Karibik träumen…

Einer hat aber für mich ganz besonders dazu beigetragen, dass das vergangene Jahr unvergesslich bleibt und das ist natürlich Christian! Ohne dich wäre das alles nicht möglich gewesen und selbst wenn, dann wäre es nicht mal halb so schön gewesen all diese Dinge ohne dich zu erleben. Ich liebe dich!

-Steffi

 

Final Destination: Cuxhaven

30.07.2018

Ich will mal versuchen, hier an den Beitrag von Steffi anzuknüpfen, der ja etwas verspätet hochgeladen wurde. Der Rest unserer Überfahrt von Ijmuiden nach Cuxhaven war dann auch noch recht spannend. Nachdem wir eine kleine gefühlte Ewigkeit ohne Wind durch eine große Reede getrieben sind, kam ganz allmählich wieder etwas Wind auf, mit dem wir unseren Kurs wieder anliegen konnten. Das Timing war gut, aber im Prinzip pures Glück. Der Gezeitenstrom schob anständig Richtung Cuxhaven, und zumindest kurzzeitig kamen wir mit 7-8 Knoten über Grund gut  voran. Allerdings war das eine knappe Kiste. Bis zum Kentern des Stroms waren es nur ein paar Stunden, und sobald wir zu langsam werden würden, bestand die Gefahr, dass der Strom kippt und uns rückwärts wieder auf See heraus treibt – und das in einem der meistbefahrenen Gewässer der Welt. Eine Horror-Vorstellung. Gut, die nächste Flutwelle kommt bestimmt, aber wir hatten schon zwei wirklich harte Nächte hinter uns und wir wollten wirklich nur ankommen.

Und es kam wie es kommen musste. Der Wind wurde immer schwächer und wir immer langsamer. Nun war die Gefahr real, kurz vor Cuxhaven zu verhungern. Unsere Außenborder-Konstruktion funktioniert nur bei wirklich ruhiger See. Sie war also überhaupt nicht zu gebrauchen, weil die Schraube ständig Luft zieht. Für solche Anwendungsfälle gibt es spezielle Langschaft-Außenbordmotoren, bei denen die Schraube ein gutes Stück tiefer im Wasser ist. Also musste der Diesel wieder ran. Eine knappe Quälende Stunde musste er mit wenigen Umdrehungen mitschieben, damit wir einen Knick im Fahrwasser erreichen konnten, ab dem wir einen besseren Winkel zum Segeln haben würden. Er hat es auch überstanden, allerdings mussten wir wieder Öl im Kühlwasser feststellen. Meine Nerven haben wahrscheinlich irreparablen Schaden davongetragen und ich bin in dieser Stunde um Jahre gealtert. Auf dem besserem Kurs ließ es sich dann auch wirklich bis fast vor die Hafeneinfahrt segeln und wir kamen genau zu dem Zeitpunkt an, an dem die Strömung kippte. Um halb drei Nachts erreichten wir den Yachthafen von Cuxhaven und waren heilfroh, diese wohl nervenaufreibendste Etappe dieser Reise endlich hinter uns zu haben.

Gleichzeitig machte sich Kater-Stimmung breit. Es reifte nämlich die Erkenntnis, dass die Reise hier enden wird, und nicht in Hamburg oder zumindest in Wedel, wie wir uns das so sehr gewünscht haben. Wir sind bereits am Donnerstag in Ijmuiden gestartet, wohl wissend, dass wir einen halben Tag den Wind voll von vorne haben würden. So wären wir aber zum Einsetzen des Westwindes, der Samstag und Sonntag Bestand haben sollte, bereits so weit gekommen, dass wir gute Chancen sahen, direkt bis Wedel weiterfahren zu können. Letztendlich hatten wir den Wind mehr als 24 Stunden genau von vorne, und der Westwind war viel schwächer als vorhergesagt. Mit dem letzten Windhauch konnten wir uns nach Cuxhaven retten und eine Windreserve für die letzte Etappe war einfach nicht da und ist auch nicht in Sicht.

Wir haben uns ein Bein ausgerissen, um hierher zu kommen. Immerhin haben wir die Elbe erreicht. Darauf können wir in Anbetracht der widrigen Umstände vielleicht auch ein bisschen stolz sein. Aber die triumphale Ankunft in Hamburg fällt jetzt aus. Und wir haben etwas Elementares gelernt. Wir haben immer wieder gerne gesagt, wir seien Segler und keine Motorbootfahrer. Immer haben wir versucht, unser Ziel segelnd zu erreichen und den Motor nur so wenig benutzt wie nur irgend möglich. Jetzt, wo wir wirklich quasi ohne Motor unterwegs gewesen sind, wissen wir: Ein Segelboot ist auch nur ein Motorboot mit Hilfs-Besegelung.

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Krassy’s neues Zuhause

Nun steht uns ein kleiner Arbeits-Marathon bevor. Wir müssen das Boot ausräumen und alles, was wir jetzt nicht mehr an Bord brauchen, sowie Kleidung, Lebensmittel, Souvenirs, persönliche Dinge usw. (also ein ganzes Zuhause) zusammenpacken und irgendwie nach Hamburg bringen. Die Krassy muss  sauber gemacht und so klariert werden, dass wir sie ein paar Wochen allein lassen können. Wir müssen unsere Wohnung übernehmen und wieder in den Alltag starten. Das Inventar unserer Wohnung steht in Kisten verpackt auf dem Dachboden, dazu kommt jetzt der ganze Plunder von der Krassy. Es wird uns wohl noch ein paar Wochen kosten, bis das Chaos geordnet ist und wir wieder eine gemütliche Wohnung haben.

Und dann ist da noch das Problem mit dem Motor. Wir müssen überlegen, was wir mit der Krassy machen. Wir könnten sie, wenn das Wetter sich irgendwann mal wieder normalisiert hat, nach Wedel holen und die Baustelle dort angehen. Wir könnten versuchen, etwas hier in Cuxhaven zu organisieren. Dann müssten wir allerdings in einen anderen Hafen verholen, wo die Krassy zur Not auch aus dem Wasser gekrant werden kann und ins Winterlager gehen kann. Und es gibt noch tausend andere Alternativen. Es wird also nicht langweilig.

Auch wenn die Reise jetzt vorbei ist, werden wir diesen Blog vorerst weiter pflegen. Es gibt noch viel zu erzählen. Demnächst gibt es noch einen Rückblick auf das letzte Jahr und eine kleine Zusammenfassung unserer Reise in Zahlen und Fakten, wir werden über die Fortschritte unserer Motorreparatur berichten, und vielleicht auch über unseren Wiedereinstieg in den Alltag.

Hinter uns liegt das wohl beste Jahr unserer beider Leben. Wir hatten eine großartige Zeit, haben das Segeln und die Einsamkeit auf den Ozeanen genossen, sind mit Schildkröten geschwommen und haben Rochen fliegen sehen, wurden von Barrakudas verfolgt und haben Schweine gefüttert, haben unzählige Male Delphine, Wale und Robben beobachtet, sind mit abenteuerlichen Bussen über exotische Inseln gejuckelt, haben Urwälder durchquert, Berge bestiegen und Vulkankrater erforscht, haben wunderschöne Orte besucht, tolle Menschen getroffen und Freundschaften geschlossen, haben die Unbeschwertheit des Lebens als „Cruiser“ genossen. Wir haben aber auch geflucht, gelitten, uns gequält, uns die Frage gestellt: „Warum tun wir uns das an?“, haben innerlich schon das „zu Verschenken“-Schild, das wir an die Krassy hängen würden, gestaltet. Zu so einer Reise gehören nun einmal beide Seiten der Medaille. Es gehört eben auch dazu, dass mal etwas schief- oder kaputt geht, oder dass eine Überfahrt zur Quälerei werden kann. Aber die guten Momente überwiegen bei weitem. Wir sind wohlbehalten zurück, waren nicht einen Tag krank oder schwerer verletzt und das allerwichtigste: Wir haben uns nach all der Nähe auf so begrenztem Raum immer noch lieb. Dieses Jahr auf der Krassy würden wir gegen nichts eintauschen. Nach der Reise ist vor der Reise.

-Christian

Nordsee ist Mordsee!

28.07.2018

53°53,5’N; 007°41,8’E

Wir sind wieder in Deutschland! Hurra! Naja, also technisch gesehen sind wir noch nicht ganz da, denn wir dümpeln aktuell auf der Nordsee oder besser gesagt mitten im Weserfahrwasser herum…

Nachdem wir in Ijmuiden ja immer wieder mit uns gehadert hatten und sich dann doch so langsam ein Wetterfenster ergab beschlossen wir auf jeden Fall loszufahren. Die Frage war also nicht mehr ob wir fahren, sondern wann. Das wohin würde sich dann unterwegs ergeben. Unser Wetterfenster war allerdings nicht ganz makellos. Wir prüfen immer bevor wir losfahren sehr ausgiebig die Wetterberichte. Dazu gehören der Windfinder mit dem GFS-Modell, Windy mit dem ECMWF, GFS, ICON und NEMS-Modell sowie die lokalen Wetterdienste wie der KNMI für Holland und der DWD für Deutschland. Alle waren sich in diesem Fall mehr oder wenig einig: es sollte für die ganze Strecke einen Grundwind mit ca. 4-5 Windstärken geben, zunächst aus  Südost, dann auf Ost drehend. In der Nacht von Freitag auf Samstag sollte dann eine Front durchziehen und einen Windsprung auf West mit sich bringen. Da würden wir gut voran kommen, auch wenn wir ein paar Stunden lang kreuzen müssten. Der Makel war allerdings, dass zwar der Grundwind super wäre, aber auch Böen mit bis zu 7 Windstärken vorhergesagt waren und zwar genau von vorne und mitten in der Nacht. Das würde eklig werden!

Nach langer Überlegung entschieden wir trotzdem zu fahren. Sollte es mit den Böen allzu schlimm werden würden wir beidrehen oder den nächstgelegenen Hafen ansteuern.

Morgens bereiteten wir also die Krassy für diese letzte lange Tour vor und auch wenn wir ein wenig nervös waren freuten wir uns doch, dass es nun endlich weiter ginge und wir gute Chancen hätten zumindest Cuxhaven in absehbarer Zeit zu erreichen. Unser Bootsnachbar freute sich über ausgiebiges Hafenkino und schickte sogar die Enkelkinder weg um unseren Ableger mit dem kleinen Außenborder zu beobachten… Es klappte alles super und der kleine Quirl an unserem Heck schob uns mit 3 bis 3,5 Knoten aus der Hafeneinfahrt hinaus wo wir dann schnell die Segel setzten und den Außenborder hochklappten.

Die ersten Stunden waren herrlich! Die Sonne schien und mit angenehmem Halbwind flogen wir nach Norden. Nach allzu kurzer Zeit drehte der Wind dann aber nicht wie versprochen auf Südost, sondern auf Nordost und wir mussten kreuzen. Na toll! Aber auf einem Bug kamen wir einigermaßen voran und sagten uns, dass der Wind ja noch zunehmen sollte, sodass wir mehr Fahrt generieren könnten. Gegen Abend passierten wir Den Helder und sahen die ersten dicken Wolken, die sich über Land zusammenbrauten. Es war ein brütend heißer Tag gewesen und da war es nicht verwunderlich, dass sich früher oder später Gewitterwolken bilden würden. Pünktlich zum Start unserer Wache zogen die Blitze von hinten in unsere Richtung. Als Segler hat man in der Regel die meiste Angst vor Gewittern, denn sie bringen meistens nicht nur Blitz und Donner sondern werden auch begleitet von starkem Regen und heftigen Winden.

In unserem Fall gab es nur einen kurzen Schauer und die Blitze blieben in großen Höhen. Anstatt Wind mitzubringen rollte nach dem Regen zunächst eine Warmluftwand wie eine Dampfwalze über uns hinweg und danach schien das Gewitter jeden noch so kleinen Windhauch aufgesaugt zu haben. Es war absolut windstill! Unser GPS zeigte volle 3 Stunden landen eine Geschwindigkeit von 0,0 Knoten an. Einen Kurs konnte das Gerät gar nicht mehr angeben und wäre nicht die Uhrzeitanzeige weitergelaufen hätte man meinen können das Gerät sei eingefroren… Es waren drei quälend lange Stunden, auch wenn ich es unerklärlicherweise schaffte die Krassy auf Position zu halten. Zwischendurch gab es einmal kurz einen Windhauch und ich jubelte fast als die Geschwindigkeitsanzeige von 0,0 auf 1,2 hoch ging. Insgesamt hatten wir in den letzten 3 Stunden 1 Seemeile gut gemacht! Da soll noch mal jemand behaupten ich wäre nicht die Geduld in Person!

Kurz nach unserem Wachwechsel, als ich gerade eingeschlafen war, weckte mich Christian wieder auf. „Wir müssen reffen!“ Wie bitte?! Es war doch gar kein Wind! Ein kurzer Blick nach draußen verriet: der Wind war wieder da. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt waren völlig ohne Vorwarnung innerhalb von wenigen Minuten aus der Flaute 7 Windstärken geworden. Die Nordsee kennt nur schwarz oder weiß, entweder Flaute oder Sturm, ein Mittelding scheint es nicht zu geben!

Zum Glück war der Spuk schnell wieder vorbei, auch wenn es noch bis zum Morgen überall um uns herum blitzte kamen wir endlich ein gutes Stück voran. Kurz vor Ameland drehte der Wind dann wie vorhergesagt auf Ost, allerdings fehlte die versprochene südliche Komponente komplett und so bekamen wir den Wind genau von vorne. Den größten Teil des Tages mussten wir also wieder kreuzen, diesmal allerdings mit einem so schlechten Wendewinkel, dass wir quasi auf einer Linie von Nord nach Süd und wieder zurück fuhren. Innerhalb von 6 Stunden hatten wir eine Distanz von traurigen 8 Seemeilen zurückgelegt! Was für eine Quälerei!!! Irgendwann kam uns dann gnädigerweise die Strömung zu Hilfe und wir konnten ein bisschen mehr Strecke machen. Es sollte ja noch heftige Böen geben und so gingen wir ein bisschen nervös in die Nacht, auch wenn bisher auf der gesamten Strecke deutlich weniger Wind war als die Vorhersagemodelle versprochen hatten.

Die Böen blieben in der Nacht zum Glück aus, dafür bekamen wir Logenplätze für die Jahrhundert-Mondfinsternis, denn hier draußen auf der Nordsee hatten wir ungehinderte Sicht auf den Mond und den hell strahlenden Mars. Den Überflug der ISS haben wir allerdings verpasst.

Auch in dieser Nacht kam der Wind noch von vorne und vor der Einfahrt nach Borkum mussten wir immer noch kreuzen. Hier gibt es allerdings einen großen Windpark mit einem Sperrgebiet drum herum und wenn man hier versehentlich rein fährt drohen saftige Strafen wie Christian vor Jahren schon einmal hatte feststellen müssen. Der Windpark auf der einen und die Sandbänke von Borkum auf der anderen Seite zwangen uns dazu kleine Kreuzschläge zu machen. Das hieß etwa alle 3-4 Meilen eine Wende zu fahren. Christian bekam in seiner Freiwache kaum Schlaf denn alle 45 Minuten musste ich ihn aus dem Bett holen um zu wenden. Wir machten beide drei Kreuze als der Wind endlich ein bisschen drehte und wir den Bereich des Windparks verlassen und deutlicher auf unser Ziel anliegen konnten. Im Laufe des Tages kamen wir heute ganz gut voran. Die Front, die den Windsprung bringen sollte fiel aus, auch wenn der Wind –wieder mal von einer Sekunde auf die nächste – auf West drehte. Auch jetzt haben wir trotzdem nicht annähernd das bekommen, was vorhergesagt war, denn trotz 3er-Setup stehen wir buchstäblich wieder auf der Stelle – und das mitten im Fahrwasser! Die Wettervorhersagen für diese Etappe sind etwa so zuverlässig wie die Wahlversprechen eines ehrgeizigen Politikers…

Die See ist hier noch zu aufgewühlt für unseren Außenborder, also haben wir uns ein kleines Stückchen mit dem Dieselmotor Richtung Fahrwasserrand geschoben. Eine Lösung ist das aber nicht und jetzt warten wir mal wieder auf Wind. Wann wir in Cuxhaven, Wedel oder sogar Hamburg ankommen können wir unmöglich sagen. Es sind nur noch etwa 40 Meilen bis Cuxhaven, aber die könnten eine lange Reise werden, wenn der Wind nicht wieder einsetzt.

Tja, vielleicht hat es das Schicksal ja doch ernst gemeint als es uns mit dem hartnäckigen Ostwind im englischen Kanal wieder wegschicken wollte. Auch Hamburg scheint uns nicht zurück zu wollen. Hätten wir doch besser darauf hören und umkehren sollen?! Vielleicht, aber wir ziehen das jetzt durch, zumindest bis Cuxhaven! Man muss es mal so sehen: es muss ja auch einen Grund geben sich wieder auf zuhause zu freuen und die Segelei macht in letzter Zeit nur noch wenig Spaß…

-Steffi

 

P.S.: Als wir diesen Beitrag hochladen wollten, hatten wir keinen Netzempfang und unser Guthaben vom Satellitentelefon ist schon letzte Woche abgelaufen. Also beschlossen wir, den Beitrag einfach später hochzuladen, wenn wir wieder näher an Land sind. Das haben wir dann allerdings vergessen. Also kommt er etwas verspätet. 🙂

Ein Silberstreif am Horizont

24.07.2018

Wir haben euch ein bisschen auf die Folter gespannt, aber seit unserem letzten (leicht frustrierten) Beitrag ist einiges passiert. Ich weiß, ich hab’s schon mal gesagt, aber wir können uns einfach nicht oft genug für eure Unterstützung bedanken! Christian und ich haben uns seit der Motor kaputt gegangen ist immer wieder abgewechselt, mal war der eine und mal der andere frustriert und hoffnungslos (nicht die ganze Zeit natürlich, es waren trotzdem ein paar tolle Tage dabei!). Auch wenn es uns nicht gefällt, aber auch die Probleme gehören untrennbar zu so einer Reise dazu und da der Blog für uns wie eine Art Reisetagebuch ist schreiben wir natürlich auch die nicht so tollen Momente auf. Und immer wieder bekommen wir in den letzten Tagen Nachrichten aus aller Welt die uns aufmuntern. Uns war um ehrlich zu sein gar nicht bewusst wie viele Leute unseren Blog lesen! Unsere Statistik zeigt uns zwar die Zugriffszahlen und die Anzahl der Aufrufe pro Tag, aber natürlich wissen wir nicht wer da auf unserem Blog unterwegs war. Lediglich die Länder aus denen die Zugriffe kommen können wir sehen und die Liste ist schon ganz beeindruckend!

Aber zu dem, was hier in Ijmuiden in den letzten Tagen so los war: das Wochenende war bei uns gefüllt mit Besuchen. Zuerst kamen mein Bruder und mein Papa vorbei. Mein Bruder war aus Berlin zu Besuch in der Heimat und hat spontan meinen Papa zu einer Cabriotour nach Holland überredet (ist gar nicht so weit von Ostwestfalen). Bei schönstem Wetter kamen die beiden also gegen Mittag bei uns an und nach einer Runde Kaffee und verspätetem Geburtstagskuchen für meinen Papa unternahmen wir einen kleinen Strandspaziergang. Bevor die beiden wieder zurückfahren mussten gab es noch ein Barbecue in einer der vielen Strandbars direkt hinterm Deich am Hafen. Es war ein toller Tag und richtig schön meine Familie nach so langer Zeit wieder zu sehen! Danke, dass ihr da wart! Das hat uns echt gut getan!

Auch für den nächsten Vormittag hatte sich Besuch angekündigt. Diesmal kamen Karsten und Carla auf ihren coolen Harleys angeknattert. Die beiden hatten wir während unseres letzten Segelurlaubs vor der Reise in Schweden kennengelernt  und wir haben uns auf Anhieb super verstanden. Eine absolut langfahrttaugliche Rassy haben die zwei schon und sind jetzt auch dabei sich Stück für Stück auf eine größere Reise vorzubereiten. Da konnten wir uns natürlich bei Kaffee und Kuchen bestens zu austauschen und mal wieder verging die Zeit viel zu schnell bevor die beiden wieder ihre Bikes bestiegen um den langen Heimweg nach Süddeutschland anzutreten. Es war toll euch wieder zu sehen und wir wünschen euch natürlich alles, alles Gute für die hoffentlich bald bevorstehende Reise!

Den Rest des Tages war ich dann mal wieder dran mit getrübter Stimmung. Irgendwie sah die Windvorhersage nicht so aus wie ich es mir gewünscht hätte und der Gedanke an die bevorstehenden organisatorischen Schwierigkeiten falls das Boot in Holland bleiben müsste war auch nicht gerade erheiternd. Am meisten ist es aber wohl das nahende Ende unserer Reise, das mich ein wenig traurig macht. Bevor wir losgefahren sind wurden wir immer wieder gefragt, ob wir nicht Angst haben uns gegenseitig unterwegs die Köpfe einzuschlagen. „Den ganzen Tag zusammen in dem kleinen Boot? Das könnte ich nicht!“ war eine der vielen Aussagen, die wir zu diesem Thema gehört haben. Aber bei all den wunderbaren Sachen, die wir auf dieser großartigen Reise erleben durften war es das allerschönste, dass wir sie zusammen erlebt haben! Die Aussicht darauf, dass wir in einer guten Woche wieder in den Alltag zurück müssen ist nicht gerade toll. Christian arbeitet in Bremen, ich in Hamburg und so sehen wir uns unter der Woche kaum, denn Christian verbringt zwangsläufig 4 Stunden am Tag in der Bahn und auch die Wochenenden sind, wie jeder berufstätige ja weiß, extrem kurz. Naja, aber auch das gehört dazu! Wir munterten uns am Abend wieder auf indem wir uns alte Fotos anschauten, die wir auf einer der externen Festplatten gefunden hatten, die ich eingepackt hatte. Während wir uns durch Fotos von Parties im Studentenwohnheim, lange zurück liegenden Urlauben und Christian’s Praktikum auf See (ja, ja, er fängt auch gern Sätze an mit „Damals, als ich noch zur See gefahren bin…“) ansahen stellten wir doch tatsächlich fest, dass er auf den meisten Bildern das gleiche T-Shirt anhatte! Und jetzt ratet mal, welches T-Shirt er just an diesem Abend trug… Volvo Ocean Race 2011, dunkelblau, habt ihr bestimmt schon mal gesehen! Vielleicht sollten wir dem armen Jungen mal ein neues T-Shirt kaufen…

Im Laufe des Sonntags fing auch die Windvorhersage langsam an sich zu verändern und alle Vorhersagemodelle versprachen eine deutliche Besserung für uns. Das ließ uns Hoffnung schöpfen und da diese Vorhersagen auch bis heute noch stabil aussehen sind wir ganz optimistisch, dass wir wahrscheinlich ab Donnerstag ein gutes Wetterfenster bekommen könnten mit dem es sogar möglich wäre bis nach Hamburg zu kommen. Drückt also ganz fest die Daumen, dass es dabei bleibt!

Um unsere Chancen auf eine erfolgreiche Fahrt nach Hamburg noch zu erhöhen haben wir uns entschieden noch einen kleinen Umbau an der Krassy vorzunehmen. Montag fuhren wir also bei brütender Hitze mit dem Bus zum nahegelegenen Bootsausrüster um eine Halterung für unseren Außenbordmotor zu kaufen. Nach ein wenig Lauferei zu einem Yamaha-Händler und einem Baumarkt hatten wir alles was wir brauchten zusammen und fingen zurück im Hafen auch gleich an die beiden massiven Holzbretter zu verschrauben und die Halterung an der dicken Platte festzumachen. Bevor wir losgefahren waren hatten wir extra noch die Krassy in ihrer Box umgedreht. Ohne Motoreinsatz war das eine etwas abenteuerliche Aktion und sicher ein lohnenswertes Hafenkino. Ein Stegnachbar erbarmte sich dann aber noch uns zu helfen nachdem er gute 10 Minuten mit einem großen Fragezeichen im Gesicht zugeschaut hatte wie wir unser dickes Bötchen um einen großen Poller herumzudrehen versuchten. Ist total merkwürdig unsere Krassy mit dem Heck zum Steg in der Box stehen zu sehen. Normalerweise würden wir niemals rückwärts an den Steg fahren, denn die Krassy lässt sich erstens sehr schlecht rückwärts manövrieren und zweites ist es normalerweise völlig unnötig!

Da es während unserer Bauarbeiten aber langsam spät wurde und unsere gestrigen Stegnachbarn nicht nur furchtbar unsympathisch daher kamen, sondern noch dazu einen mörderisch fiesen Kampfhund dabei hatten, der die ganze Zeit über das Nachbarboot patroullierte, wollten wir lieber kein Risiko eingehen und verschoben die lauteren und staubigeren Arbeiten vorsichtshalber auf den nächsten Tag. Als die Nachbarn heute Vormittag weg waren konnten wir noch das Brett absägen und es mit stabilen Schellen an der hochgeklappten und fixierten Badeleiter anbringen. Die Halterung die wir gekauft haben lässt sich hochklappen wenn man sie nicht braucht und so können wir den kleinen 5PS-Motor schonen solange sich die Strecke segeln lässt.

Der Motor war dann auch schnell angebaut, ließ sich allerdings ganz schön bitten bevor er endlich ansprang! Christian hatte sich vom Ziehen an der Startschnur schon ordentlich die Hände aufgescheuert, aber als er endlich lief machte der kleine Motor erstaunlich viel Vortrieb. Für eine Flaute sind wir so also super gerüstet! Wir hatten auch gleich noch einen externen Tank und eine Zuleitung organisiert und können so genügend Sprit mitnehmen um einige Stunden mitzuschieben. Es ist ein wenig abenteuerlich vom Boot aus den Außenborder zu starten, aber wenn er einmal an ist lässt er sich ganz gut bedienen und wenn alles läuft wie geplant werden die ganze Konstruktion hoffentlich gar nicht brauchen! Ihr seht also, wir konzentrieren uns auf den Silberstreif am Horizont!

-Steffi

 

Wenn die Reise zur Qual wird

21.07.2018

Es wird langsam immer schwieriger, die Moral aufrecht zu erhalten.  Während wir unseren Aufenthalt in Breskens noch genießen konnten, fällt es uns (und momentan ganz besonders mir) immer schwieriger, entspannt auf die letzten Tage zu blicken. Der Grund ist: Es sinkt immer mehr die Erkenntnis ein, dass wir es wohl nicht mehr bis nach Hamburg schaffen werden. Wir haben noch zehn Tage Zeit – normalerweise mehr als genug, um die lächerlichen 250 Seemeilen von Ijmuiden bis nach Wedel zu machen. Aber was ist schon normal? Die verdammte Schönwetterlage hält an, und beschert uns Wind, der entweder von vorne kommt, oder, wenn die Richtung halbwegs passen würde, viel zu schwach ist, um damit sinnvoll arbeiten zu können.

Wir müssen uns nichts vormachen. Mit unserem Motor werden wir nirgendwohin fahren. Der wird nur noch für An- und Ableger benutzt, oder im Notfall, um z.B. eine Kollision zu vermeiden. Also brauchen wir Wind. Und der kommt einfach nicht. Natürlich schauen wir jetzt in dieser Situation ganz besonders kritisch auf das Wetter. Mit einem „Naja, könnte vielleicht gehen“ können wir nicht zufrieden sein. Immerhin enden wir als Treibgut, wenn uns der Wind einschläft.

Gestern haderten wir den ganzen Tag mit uns, ob wir fahren sollten oder nicht. Die Situation: Es deutete sich schon länger an, dass es nördlich der friesischen Inseln Samstag und Sonntag, vielleicht sogar Montag Nord- und später Westwind geben würde – von der Stärke her irgendwo zwischen 1 und 4 Windstärken. Das eine Modell versprach eher 3-4 Windstärken, ein anderes Modell ausgeprägte Flautengebiete, mit denen wir es zu tun bekommen würden. Zuletzt näherten sie sich alle dahingehend einander an, als dass sie irgendwas zwischen 4 und 8 Knoten Wind versprachen. Und das ist für ein schweres Schiff wie die Krassy gerade mal am Existenzminimum. 8 Knoten Halbwind ist toll, vier Knoten von hinten kann man voll vergessen. Was würde sich bewahrheiten? Und ich habe es schon mehr als einmal erlebt, dass der Wind nachts auf der Nordsee komplett eingeschlafen ist.

Unser zweites Problem: Um den versprochenen Wind zu bekommen, müssten wir es gut 60 Seemeilen nach Nordnordosten  schaffen. Und die Windrichtung hier? Genau: Nordnordost! Es ist einfach zum Kotzen. Gestern früh versprach uns zumindest das GFS-Modell für die Nacht eher östlichen Wind – eine gute Chance um nach Norden zu gelangen, und dann die Winddrehung mitzunehmen! Wir freundeten uns mit dem Gedanken an, abends rauszufahren und unser Glück zu versuchen. Mit jedem Wetter-Update jedoch drehte der Wind mehr Richtung Norden, sodass es allmählich deutlich wurde, dass wir die gesamten 60 Seemeilen hochkreuzen werden müssten. Auf dem Atlantik haben wir bei gutem Wind 60sm nach Luv geschafft. Wenn der Wind zu schwach werden würde (was für die Nacht absehbar war), ging unser ohnehin schon schlechter Wendewinkel endgültig zum Teufel und wir würden sechs Stunden lang eher schlecht als recht vorankommen und sechs Stunden lang wohl bestenfalls auf der Stelle fahren. Und das in einem Revier, in dem viel Betrieb ist, und der Raum zum Kreuzen durch das Land auf der einen Seite und die Schifffahrtsroute auf der anderen Seite begrenzt ist.

Kurzum: Scheiße mit Scheiße. Wir hätten es also mit bestenfalls 24 Stunden erbärmlicher Quälerei gegen den Wind zu tun gehabt, um in ein Wetterfensterchen zu geraten, von dem wir immer noch nicht wissen, ob es uns auch wirklich genug Wind bringen würde, um wenigstens Borkum zu erreichen. Das ist nämlich nach Den Helder der nächste Hafen, den wir recht unproblematisch mit minimaler Motornutzung anlaufen könnten.

Das erstaunliche: Wir haben wirklich bis zum Abend mit uns gehadert, ob wir es probieren sollen oder nicht. Wir sind mittlerweile bereit uns wettermäßig an jeden Strohhalm zu klammern, in der verzweifelten Hoffnung, es doch noch irgendwie bis nach Hamburg zu schaffen. Aber mal ganz objektiv: Unser ersehntes Wetterfenster ist kein Wetterfenster. Die Gefahr, draußen auf der Nordsee windtechnisch zu verhungern und dazu gezwungen zu sein, den Motor bis zum jederzeit möglichen Exitus zu benutzen, ist viel zu groß.

Es ist einfach nicht zu fassen. Wir sind über 13.000 Seemeilen gesegelt, und es scheitert jetzt an den letzten läppischen paar Meilen? Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber es deutet sich überhaupt nicht an, dass wir noch halbwegs stabilen Wind bekommen könnten, mit dem wir arbeiten können.

Also müssen wir langsam das Ende der Reise in Holland planen. Immerhin ist es nicht Frankreich oder Belgien geworden, sondern Holland, so etwas wie eine zweite Heimat für uns beide, wo die Reise enden soll. Wir müssen uns also erst einmal überlegen, ob wir die Reparatur hier in Angriff nehmen wollen, oder in Hamburg. Hier hätten wir das Problem, dass wir irgendwem den Schlüssel geben müssten und keine Möglichkeit hätten, die Arbeiten in irgendeiner Form zu überwachen oder begleiten. Am Ende zahlt man dann überteuerte Stundensätze dafür, dass die Jungs Kaffee trinken, und im Zweifel „finden“ sie noch ganz andere Probleme, die letztendlich zu dem Ergebnis führen, dass wir einen neuen Motor brauchen, den sie dann auch nur zu gerne selbst einbauen würden.

In Hamburg könnte man den Motor zumindest mit einem Mechaniker zusammen öffnen, er könnte seine Meinung abgeben, wir würden uns ggf. noch weitere Meinungen holen und uns ein eigenes Bild machen, und letztendlich eine Lösung herbeiführen.

Eine andere Möglichkeit wäre es, das Boot nach Warns zu bringen, unserem langjährigen Heimathafen von damals. Dort könnte der Motor repariert werden, ohne, dass wir Angst haben müssten, hart über den Tisch gezogen zu werden. Wir kennen die Leute dort und wissen, dass sie ordentlich arbeiten. Aber kennen die uns noch? Und dann kommt hinzu, dass Warns für uns aus Hamburg und ohne Auto ganz schlecht zu erreichen ist. Wie sollen wir da wegkommen? Klar, sowohl meine Eltern als auch Steffis Vater haben uns angeboten, uns abzuholen, wo auch immer die Reise endet. Und das ist auch total lieb gemeint. Aber wir sind nicht auf die Reise unseres Lebens gegangen, haben nicht zwei Mal den verdammten Atlantik überquert, um uns am Ende von Papa und Mama abholen zu lassen!

Wir müssen uns also in Ruhe die Karten legen, und uns überlegen, was wir machen. Wenn wir es wenigstens bis Borkum schaffen würden, wäre schon viel erreicht. Borkum können wir mit der Bahn ganz gut erreichen, und von dort aus ist es eine Nachtfahrt bis Cuxhaven. Aber noch ist Borkum so weit weg wie der Mond, solange sich am Wetter nichts ändert. Den Hafen von Ijmuiden könnten wir über Schiphol wahrscheinlich noch ganz gut erreichen, alle anderen holländischen Häfen sind für einen reinen Wochenendtrip aber unerreichbar. Allerdings ist Ijmuiden nicht gerade billig. Wie man es auch dreht und wendet, es kommt Mist dabei raus. Aber, wie vielleicht schon das eine oder andere Mal Mantra-mäßig wiederholt: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

-Christian

Die zwei Gesichter der Nordsee

17.07.2018

Die letzten Tage blieb die Krassy im Hafen  von Breskens. Die blöde Ostwindlage gewährte uns kein Weiterkommen, aber großartiges Wetter. Und wir haben das Beste daraus gemacht: Wir haben es genossen. Wir mieteten uns ein paar Fahrräder und fuhren viel in der Gegend rum, machten Ausflüge nach Cadzand und Vlissingen, Steffi freute sich wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum, als sie endlich mal wieder ihr holländisches Lieblingsgeschäft, den Action Markt, besuchen konnte, ich versuchte vergebens, einen fossilen Haifischzahn zu finden, wir genossen die Sonne, schliefen aus und gönnten uns das eine oder andere gute Essen und / oder Kaltgetränk.

Gestern hatten wir noch spontanen Besuch aus der Heimat. Langjährige Freunde meiner Familie sind häufig in Breskens und Umgebung unterwegs und auch zufälligerweise gerade vor Ort. So wurden sie kurzerhand auf einen Drink auf die Krassy eingeladen, es gab eine kleine Bootsführung, wir klönten etwas, und freuten uns über die nette Abwechslung.

Heute sollte das aber mal wieder weiter gehen. Die Wettervorhersage versprach uns südwestliche bis westliche Winde 4-5, und zumindest bis jetzt wurde dieses Versprechen auch eingelöst. Der unerbittliche Takt der Gezeiten zwang uns wieder früh aus dem Bett, bereits um halb sieben haben wir unseren Liegeplatz verlassen. In der Westerschelde gibt es enorme Gezeitenströme, mit denen man sich nicht anlegen will. Und es ist noch Springzeit. So konnten wir die Westerschelde entspannt queren, und langsam setzte auch der versprochene Wind ein. Allerdings lag noch etwas Arbeit vor uns. Bevor wir auf einen entspannten Vorwindkurs abdrehen konnten, mussten wir noch an Westkapelle vorbei. Das erfolgte hart am Wind und war ein heißer Ritt. Das Oostgat (das Fahrwasser dort) ist tief und von Land und Sandbänken gesäumt. Strömungstechnisch geht hier die Luzi ab – und wir mittendrin. Mit bis zu 10.5 Knoten über Grund rannte die Krassy wie eine Wahnsinnige – und wurde dabei böse durchgeschüttelt. Wir hatten nämlich eine klassische Wind-gegen-Strom-Situation, die aus dem Oostgat einen echten Hexenkessel gemacht hat. Innerhalb kürzester Zeit war die Krassy von außen wie von innen nass und salzig.

Nach einer knappen Stunde konnten wir endlich die ersehnte Kursänderung durchführen, und plötzlich waren wir in freiem Wasser und uns war bestes Sommersegeln beschert. Wenig später stand unser bewährtes Dreier-Setup und wir rauschten nach Nordosten.

Stressig wurde es noch einmal vor der Hafeneinfahrt von Rotterdam. Als hätten die Schiffe alle gewartet, bis wir da sind, staken wir plötzlich mitten im der ein- und auslaufenden Großschifffahrt. Blöd war, dass wir mit unserem Dreier-Setup nur sehr schlecht manövrieren können. So haben wir uns zwar etwas gestresst, aber erfolgreich durchlaviert. Das Seegebiet wird übrigens überwacht. Man meldet sich per Funk bei „Maas Entrance“ an, und bekommt dann Anweisungen, wie man welchem Fahrzeug aus dem Weg zu gehen hat.

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Begegnung mit Til(l) Jacob

Nun befinden wir uns vor Scheveningen und haben noch ca. 20sm vor uns. Eigentlich wollten wir dort rein, weil das ein netter Ort ist, man schnell in Den Haag ist, und wir wohl wieder ein paar Tage liegen blieben müssen. Zufälligerweise hatten wir aber gestern noch herausgefunden, dass der Hafen wegen einer Großveranstaltung derzeit für Gastyachten gesperrt ist – na super, ausgerechnet. Also geht’s weiter bis Ijmuiden. Der Wind soll zum Abend nachlassen, und irgendwann kippt auch wieder die Strömung gegen uns. Aus der Befürchtung heraus, dass wir dann vor der Hafeneinfahrt verhungern könnten, wollten wir es eigentlich vermeiden, Ijmuiden direkt anzulaufen. Aber noch läuft’s, und die letzten Wetterberichte versprechen uns auch noch etwas Wind bis in die Nacht.

Dort  haben wir dann zwei Optionen: Entweder das Wetter meint es gut mit uns, und wir können weiter in Richtung Hamburg segeln. Oder eine Änderung ist nicht in Sicht. Dann könnten wir versuchen, binnen über Amsterdam nach Warns zu gelangen, unserem Heimathafen für viele Jahre mit der „Laughing Jack“. Dort könnte dann der Motor repariert und die Krassy für den Winter eingemottet werden.

Wir werden sehen, was passiert. Noch hoffen wir auf Hamburg, aber dafür bräuchten wir zumindest 48 Stunden stabiles Westwetter – und das ist momentan nicht in Sicht.

-Christian

Vakantie in Nederland

12.07.2018

Als aller erstes müssen wir mal ein dickes fettes DANKESCHÖN an euch aussprechen! Nach unserem letzten Blogbeitrag haben wir so viele Nachrichten und Anrufe von Freunden, Kollegen und Familie bekommen wie bisher noch nie. Alle haben uns aufgemuntert, Unterstützung angeboten, hilfreiche Tipps gegeben oder die Daumen gedrückt. Jede einzelne Nachricht war ein kleiner Segen und hat uns unsäglich geholfen! Ihr seid die Besten!!!

Vorgestern haben wir es noch mal gewagt und den Hafen von Nieuwpoort verlassen. Als morgens früh unser Wecker klingelte war die erste Reaktion „Nä! Kein Bock auf Segeln!“. Nach kurzem Überlegen war aber doch klar, dass das unsere Chance wäre und wenn nicht heute, dann erst mal gar nicht. Wir zogen also noch am Steg das Großsegel hoch und starteten den Motor zum Ablegen. Ein Stückchen konnten wir noch im Zufahrtskanal zum Hafen segeln, allerdings stand die Strömung dort gegen uns und der Wind wehte mehr oder weniger von vorne. Wohl oder übel musste der Motor also noch mal helfen und so ließen wir ihn quälende 25 Minuten sehr sehr vorsichtig mitschieben. Im Motorraum blieb aber alles normal und sobald wir die Mole passiert hatten wurde gesegelt.

Am Anfang lief es noch ein wenig schleppend, denn die Wellen bremsten uns immer wieder aus, aber nach und nach legte der Wind zu und wir rauschten mit der Strömung fix auf unser Ziel zu. Die Nordsee präsentierte sich ganz Nordsee-mäßig ungemütlich, es war ziemlich kalt und grau und der Wind kam zumindest auf der ersten Hälfte der Strecke mehr von vorne als vorhergesagt. Trotzdem war es eigentlich herrliches segeln, zumindest wenn man gut in Ölzeug eingepackt war und weil wir wussten, dass wir abends im Hafen ankommen würden. Als wir Zeebrügge passiert hatten konnten wir mehr Halbwind fahren und es wurde zwar segeltechnisch etwas entspannter, aber dafür legte der Verkehr zu. Christian war ein wenig nervös, denn wir sind es nicht mehr gewohnt so dicht die Großschifffahrt zu passieren. Auf dem Atlantik bekommt man schon einen Schrecken, wenn man ein anderes Schiff in einem Abstand von 10 Meilen entdeckt, aber hier ist es ganz normal selbst mit den dicken Pötten nur einen CPA (closest point of approach, den kleinstens Abstand in dem man passiert) von unter einer Meile zu haben.

Mit nur leichter Gegenströmung aber mittlerweile ordentlich Wind erreichten wir Breskens und obwohl uns direkt vor der Hafeneinfahrt doch tatsächlich noch ein Frachter direkt vor der Nase ebenfalls in den Hafen fuhr, erreichten wir die Einfahrt ganz gut unter Segeln. Dann musste aber noch mal der Motor ran, denn mit so viel Wind hätten wir auf keinen Fall vernünftig anlegen können. An einem langen und völlig freien Steg schafften wir es trotz meines Manövers mit viel zu viel Fahrt im Boot heile anzulegen. Total durchgefroren machten wir es uns erst mal unter Deck gemütlich und wärmten uns ein wenig auf bevor wir abends in den Ort spazierten um uns ein Abendessen zu gönnen.

Die Ankunft in Holland war wie ein riesiges Gewicht, das von unseren Schultern fiel, auch wenn wir genau genommen nicht allzu viel näher an die Heimat gekommen sind. Aber obwohl wir morgens noch mit uns gehadert hatten und die Überfahrt doch etwas anstrengend war, war es absolut richtig, dass wir gefahren sind. In dem Wissen, dass wir nun auf jeden Fall ein paar Tage oder vielleicht sogar ein paar mehr, hier bleiben müssen, machen wir jetzt Urlaub. Es bleibt uns ja auch erst mal nicht viel anderes übrig.

Am nächsten Morgen schliefen wir endlich mal wieder nach einer richtig guten Nacht ordentlich aus, ganz nach dem Grundsatz „Wer einatmet muss ausatmen – wer einschläft muss ausschlafen“. Erholt wie seit Wochen nicht mehr belohnten wir uns mit einem ausgedehnten Pfannkuchenfrühstück und einer heißen Dusche und drehten danach eine Runde durch den Ort. Der Ausrüster und auch der Fahrradverleih hatten zwar geschlossen und auch einen Segelmacher gibt es hier leider nicht, aber wir haben ja noch ein bisschen Zeit. Wir fanden eine richtig nette Strandbar in der dann auch echtes Urlaubsfeeling aufkam während wir die spielenden Kinder am Strand beobachteten. Auf dem Rückweg gab’s für Christian noch den obligatorischen Hollandse Nieuwe und den Rest des Nachmittags bekam dann die Krassy noch mal ein wenig Pflege.

Heute mieteten wir uns wie geplant zwei Fahrräder. Eine bessere Möglichkeit sich in Holland fortzubewegen gibt es einfach nicht! Mit den super Hollandrädern (ich würde mein am liebsten nicht mehr zurück geben!) fuhren wir dann zur Fähre und über die Westerschelde nach Vlissingen. Der Ort ist deutlich größer als Breskens und vor allem gibt es hier eine Action-Filiale! Das ist mein absoluter Lieblingsladen, nur leider gibt es noch immer keine Filiale in Hamburg. Ich durfte mich dort ein wenig austoben und total happy über den gelungenen Einkauf setzten wir uns anschließend in ein richtig nettes Café in die pralle Sonne. Dort hätten wir fast den ganzen Nachmittag verbummelt, aber irgendwann rafften wir uns doch noch zu einer Runde durch das hübsche Städtchen auf. Vlissingen ist wirklich schön und bei dem phantastischen Wetter das wir im Moment haben konnten wir unseren kleinen Ausflug so richtig genießen! Genau so einen Tag haben wir mal wieder gebraucht!

Auch morgen haben wir noch unsere Fahrräder und momentan sieht es so aus als würden wir auch noch ein paar Tage länger bleiben müssen. Morgen wollen wir erst mal nach Cadzand, dort hat Christian als Kind Urlaub gemacht und er erzählt immer wieder mit strahlenden Augen, dass man dort Haifischzähne am Strand finden kann. Ihr könnt also mal raten, was wir morgen machen…

Wie sich das Wetter entwickelt ist im Moment schwer zu sagen. Die Windvorhersagen scheinen sich mit jedem neuen Update wieder völlig zu verändern. Wir hoffen in den nächsten Tagen eine Möglichkeit zu bekommen zumindest bis nach Scheveningen oder Ijmuiden zu kommen, dafür brauchen wir den Wind aber nicht nur aus der richtigen Richtung, sondern auch in der richtigen Stärke und das auch für mehr als nur ein paar Stunden. Bis dahin machen wir das Beste aus der Situation und genießen die Zeit, denn es gibt deutlich schlechtere Orte an denen man auf ein Wetterfenster warten kann.

Vielleicht noch ein Wort zu unserem Motor: wir haben uns vorerst dagegen entschieden ihn hier in Holland reparieren zu lassen. Alle mit denen wir zu diesem Thema gesprochen haben sind sich darin einig, dass er höchstwahrscheinlich noch gut bis nach Hause durchhalten wird wenn wir ihn sehr vorsichtig benutzen und das tun wir. Sollten wir jemanden finden, der alle Teile vorrätig hat würden wir uns das noch mal überlegen, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass es hier so einen Mechaniker gibt, denn der Motor ist eben alt. In Hamburg könnten wir die ganze Reparatur entspannter angehen und die letzten Etappen haben unser Vertrauen in die alte Kiste auch wieder ein wenig aufgewärmt.

-Steffi

Is this the end, my friend?

09.07.2018

Ja, richtig gelesen. Unsere Reise hat in den letzten Tagen eine dramatische Wendung genommen und wir haben ein wenig Zeit gebraucht um die neue Situation zu akzeptieren und einen Silberstreif am Horizont zu sehen. Deshalb schreiben wir auch erst jetzt wieder.

Aber von vorn: kurz nachdem wir unseren letzten Blogbeitrag auf der Überfahrt von den Kanalinseln nach Frankreich hochgeladen hatten passierten wir Boulogne-sur-Mer. Da unser Motor nun schon seit geraumer Zeit lief und ja auch in den letzten beiden Wochen ungewöhnlich stark beansprucht wurde, machte Christian etwas häufiger Kontrollen im Motorraum. Dazu gehört zum Beispiel zu prüfen ob der Wärmetauscher und das Impellergehäuse die richtige Temperatur haben, ob irgendwo Flüssigkeit ausläuft, der Keilriemen richtig läuft etc. Ein Teil dieser Routinekontrolle ist es auch zu prüfen, ob der Füllstand der Kühlflüssigkeit des inneren Kühlkreislaufs im Überdruckbehälter stimmt. Hierfür leuchtet man einfach mit einer Taschenlampe gegen den halbdurchsichtigen Kunststoffbehälter und kann die blaue Kühlflüssigkeit gut erkennen.

Bei der Kontrolle vor Boulogne stellte Christian an eben dieser Stelle fest, dass der Füllstand im Überdruckbehälter nicht so recht erkennbar war, als wäre der bis oben hin gefüllt. Wir kuppelten den Motor also aus und ließen ihn ein wenig abkühlen. Ein zweiter Blick zeigte, dass der Füllstand wieder passte, also fuhren wir weiter. Einzig fiel auf, dass die Flüssigkeit nicht mehr so recht blau, sondern eher trübe aussah, aber sie ist auch schon eine Weile im Kühlkreislauf, also beunruhigte uns das nicht weiter.

Unser Motor arbeitete danach zunächst so zuverlässig weiter wie immer. Die Temperatur stimmte, die Geräusche waren wie immer und die Abgase zeigten keine Veränderung in der Farbe oder dem Geruch. Kurz nachdem wir in der recht starken Strömung Calais passiert hatten schaute Christian dann noch mal in den Motorraum und bekam einen ordentlichen Schrecken. Oben aus dem Überdruckbehälter quoll braun verfärbtes Wasser und ergoss sich großzügig über den Motorblock! Sofort stellten wir den Motor also aus und zogen die Segel hoch, denn wir fuhren gerade auf die ersten Tonnen des Fahrwassers nach Dünkirchen zu. Als der Motor aus war sprudelte es erst so richtig los, es war also offenbar zu viel Flüssigkeit im Kühlkreislauf.

Da wir zum Glück noch 2 Knoten Strömung von hinten hatten kamen wir trotz des sehr mauen Windes einigermaßen gut voran. Nach Calais konnten wir allerdings nicht mehr umkehren, dafür war die Strömung zu stark und bis Dünkirchen lagen noch etwa 15 Seemeilen vor uns. Ein großes Frachtschiff, das von hinten aufkam als wir gerade genau in der Mitte des Fahrwassers herumdümpelten funkten wir an und der Frachter wich sofort aus. Man hilft sich eben unter Seeleuten!

Da wir mit der Situation in unserem Motorraum erst mal überfragt waren rief Christian sofort unseren Freund Jens von der Walross 2.1 in Lübeck an. Jens kennt sich mit Motoren sehr gut aus und hat uns schon mehr als einmal großartig geholfen! Vielen lieben Dank noch mal, Jens! Er konnte uns ein wenig beruhigen, denn nachdem wir ihm die Lage erklärt hatten tippte er auf eine kaputte Zylinderkopfdichtung, gab uns ein paar Tipps wonach wir schauen sollten und empfahl den Motor nur wenn nötig und dann recht vorsichtig zu benutzen, solange er weiterhin nicht überhitzte oder andere Symptome zeige, der Ölstand okay wäre und kein Wasser im Öl zu sehen sei. Nach unserem Gespräch rief er sogar noch den Werkstattmeister seiner Firma an, der ebenfalls auf eine kaputte Zylinderkopfdichtung tippte und einen ähnlichen Rat gab.

Der Motor hatte also nun erst mal Sendepause und für uns war das zunächst dringendere Problem in Dünkirchen anzukommen, denn der Wind sollte immer schwächer werden und zwangsläufig würde auch bald die Strömung kippen. Noch dazu wurde es langsam immer dunkler. Zum Glück hatte aber genau in diesem Moment irgendjemand dort oben Einsicht mit uns und schickte uns wie aus dem Nichts von einer Sekunde auf die andere genügend Wind, dass wir einigermaßen schnell voran kamen! Das war ein Segen, auch wenn wir uns noch bis etwa ein Uhr morgens im Fahrwasser gegen die Strömung hochkreuzen mussten.

Für die letzte Meile vor der Hafeneinfahrt riskierten wir es dann doch noch mal den Motor zu starten und kontrollierten praktisch im Minutentakt ob sich wieder braune Soße aus dem Überdruckbehälter drückte oder die Temperatur anstieg. Bei niedriger Drehzahl schoben wir uns vorsichtig hinter die Mole und alles blieb normal im Motorraum. Dann segelten wir im Schneckentempo bis fast in den Hafen hinein und starteten den Motor noch ein weiteres Mal für ein Anlegemanöver. Völlig fertig kramten wir danach nach langer Zeit mal wieder eine Flasche Port aus unserem Vorrat und genehmigten uns ein Gläschen für die Nerven! Dazu gab’s Schokolade, denn außer einer Dose Ravioli (die erste und einzige auf dieser Reise!), hatten wir auch nicht wirklich Zeit oder Muße zum Essen gehabt… Wir fielen völlig fertig ins Bett mit dem Gefühl, dass unsere Reise möglicherweise ausgerechnet hier in Dünkirchen nun wohl für uns enden würde.

Normalerweise bin ich bei uns immer diejenige, die in Krisensituationen die Moral aufrecht erhält. Ich versuche die Dinge immer positiv zu sehen und während Christian die schwärzesten Szenarien entwirft versuche ich den Silberstreif am Horizont nicht aus den Augen zu verlieren. Diesmal war es andersrum, denn die reelle Möglichkeit, dass das großartigste Jahr unseres Lebens in dieser Stadt und in diesem Land, so kurz vor dem Ziel und nach der Plackerei der letzten Wochen enden sollte war einfach zu viel für mich. Dünkirchen war nun wirklich die hässlichste Stadt, die wir im ganzen letzten Jahr gesehen hatten und gerade hier sollten wir unsere Atlantikrunde für gescheitert erklären müssen?! Seit wir die Azoren verlassen haben schien alles schief zu laufen: erst der Gegenwind, der Umweg über Spanien, das nervige motoren über die Biskaya und dann nach nur einer kurzen und wenig erholsamen Nacht auf Guernsey wieder eine endlos lange Motoretappe. Auf den letzten 13.000 Seemeilen ist fast nichts an der Krassy kaputt gegangen und selbst Christian hatte ganz langsam angefangen dem alten Motor richtig zu vertrauen. Dieses Boot, das wir so sehr lieben und dem wir immer vertraut hatten hatte uns nun doch noch im Stich gelassen. Gerade hatten wir uns noch gefreut, dass wir ab Dünkirchen nur noch in Tagesetappen weiterfahren würden und die endlosen Nachtwachen endlich ein Ende hätten und nun das! Das Schlimmste an allem war aber das Gefühl gescheitert zu sein. Diese Reise sollte in Hamburg enden, denn dort hat sie auch begonnen. Die Atlantikrunde hatten wir zwar genau genommen in La Coruna bereits beendet, denn dort haben wir unseren eigenen Kurs gekreuzt, aber unser Ziel ist Hamburg.

Naja, ihr könnt euch also in etwa vorstellen, welche Stimmung über der Krassy lag… Aber Christian war wie immer toll! Er versuchte mich aufzumuntern und kümmerte sich darum einen Mechaniker an Bord zu holen, der mit sehr viel Glück vielleicht den Schaden doch noch beheben könnte. Tatsächlich schaffte er es einen Mechaniker zu finden. Der Hafenmeister hatte da wohl einen guten Freund, der Bootsmotoren repariert und obwohl Wochenende war rief er den sofort an und er erklärte sich bereit sich die Sache mal anzusehen. Ein knappes Stündchen später war der gute Mann da und der Hafenmeister war mitgekommen um zu übersetzten (ein weiteres Problem in dieser blöden Situation, die Franzosen sprechen katastrophal schlechtes Englisch und unser Französisch reicht bei weitem auch nicht aus für so eine Situation…).

Reparieren konnte der Mechaniker unseren Schaden nicht, aber wie schon Jens und sein Werkstattmeister stellte auch er fest, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine kaputte Zylinderkopfdichtung handelt. Die Reparatur, so teilte er uns mit, wäre sehr aufwändig und würde mehrere Tage dauern. In Dünkirchen könnte sie frühestens Mitte August gemacht werden, denn alle Mechaniker sind zur Zeit mehr als ausgelastet und zudem ist auch noch Urlaubssaison. Er empfahl uns darauf zu achten, dass immer genügend Öl im Motor sei und da bisher kein Wasser im Öl ist und die Temperatur nicht über Normal ansteigt bestätigte auch er, dass man den Motor noch vorsichtig weiternutzen könnte. Zudem zeigte er uns wie wir das mit Öl verdreckte Kühlwasser ablassen und den inneren Kühlkreislauf spülen könnten. Auf diese Weise können wir zumindest verhindern, dass irgendwann nur noch Öl im Kühlkreislauf ist und zudem sehen wir schnell ob neues Öl nachgelaufen ist.

Für seine Zeit und seine Expertenmeinung wollte der gute Mann dann noch nicht einmal eine Gegenleistung haben also gaben wir ihm eine kleine Aufwandsentschädigung und schenkten ihm noch eine Flasche Wein von den Azoren (auch wenn die Franzosen ja selbst gute Weine haben sollen wie man hört…).

Meine Stimmung heiterte sich nach dem Besuch des Mechanikers kaum auf. Die Situation war die gleiche, denn da noch immer hartnäckig Nordost-Wind für die nächsten beiden Wochen vorhergesagt war würden wir wohl trotzdem in Dünkirchen festhängen. Würde doch wenigstens mal für 24 Stunden der Wind drehen! Dann könnten wir uns zumindest nach Holland retten wo wir uns verständigen können und bessere Chancen auf eine Reparatur hätten!

In den Wettervorhersagen zeichnete sich ab, dass es am Montag und Dienstag kurzzeitig zumindest Nordwind geben sollte. Das wäre für die nächsten Wochen offenbar unsere einzige Chance Dünkirchen zu verlassen und mit viel Glück bis nach Breskens im Süden Hollands zu kommen.

Den Sonntag mussten wir wohl oder übel also noch in Dünkirchen bleiben und mit weiterhin abgrundtief schlechter Laune widmeten wir uns – mal wieder – der Pflege der Krassy. Die Polster im Salon haben so viel Salzwasser abbekommen, dass sie einfach nicht mehr richtig trocknen und langsam anfangen zu müffeln und das Epoxy mit dem wir auf den Kanaren den Sprung in unserem Waschbecken notdürftig gekittet hatten wurde immer dunkler und ekliger. Die Krassy hat auf dieser Reise unbestreitbar gelitten und wenn man ohnehin schon mies drauf ist, dann neigt man auch dazu sich die vielen offenen Baustellen noch viel deutlicher vor Augen zu führen. Auch hier erlebten wir verkehrte Welt, denn normalerweise ist es Christian, der laut überlegt, dass man hier eigentlich gar nicht weiß wo man anfangen soll zu reparieren und zu erneuern. Diesmal wuchsen mir die vielen offenen Projekte über den Kopf, vor allem weil ich nach dem ganzen Stress langsam das Gefühl bekam mal eine Pause von der Arbeit am Boot zu brauchen.

Manchmal kommt die Rettung aber ganz unverhofft. In unserem Fall kam sie in Gestalt von Matthias und Rena aus Hamburg, die vor wenigen Wochen mit ihrer 9,60 m großen Segelyacht Ningaloo auf eine ganz ähnliche Reise wie wir gestartet sind. Die beiden sind etwa so alt wie wir und wir verstanden uns auf Anhieb ziemlich gut. Schnell hatten wir uns verquatscht und luden die beiden spontan auf ein Bierchen auf die Krassy ein. Zwischen den in der Sonne trocknenden Polstern ging der Nachmittag schnell um und wir wurden fast schon ein wenig Erinnerungsseelig, denn wir erkannten die Euphorie der ersten Wochen der Reise in den beiden wieder, die wir selbst vor einem knappen Jahr erlebt hatten. Wie jeder einzelne Tag ein echtes Erlebnis ist, man unterwegs gespannt vor der Seekarte sitzt und die Meilen bis zur nächsten Landesgrenze zählt um dann schnell eine neue Gastlandflagge hochzuziehen, die Vorfreude auf die vielen großartigen Dinge die man noch erleben wird und die Angst vor den ersten langen Seeetappen. Genau so hatten wir uns doch auch gefühlt und während wir natürlich gern von unserer Reise berichteten und allerhand Ratschläge gaben fühlten wir uns schon ein bisschen wie alte Hasen… Es ist unglaublich, wie viel wir über das Segeln, das Wetter, die verschiedenen Länder und Kulturen und natürlich nicht zuletzt über uns selbst im vergangenen Jahr gelernt haben. Nichts auf der Welt kann solche Erfahrungen ersetzen!

Das Beste an dieser Begegnung war aber natürlich, dass sie uns – und besonders mich – aus dem tiefen Loch riss, dass der blöde Motorschaden verursacht hatte. Beim Abendessen an der wenig pittoresken Strandpromenade fingen wir an unsere Optionen noch mal sorgfältig abzuwägen und neue Pläne zu schmieden. Wir hätten jetzt mehrere Möglichkeiten und vielleicht gäbe es sogar eine kleine Chance die Reise doch noch in Hamburg oder zumindest in Wedel zu beenden. Wir beschlossen zunächst mal das kleine Wetterfenster zu nutzen um am nächsten Morgen früh in Richtung Breskens aufzubrechen. In Nieuwpoort sollte es eine Volvo Penta Niederlassung geben, bei der wir unterwegs anrufen wollten um nachzuhören, ob man dort einen freien Mechaniker hätte.

Gesagt getan und nach einer ziemlich schlaflosen Nacht brachen wir heute früh in Dünkirchen auf. Für unser Ablegemanöver lief der Motor nur eine knappe Minute und sobald wir vom Steg frei waren zogen wir die Genua raus und kreuzten uns aus der Zufahrt zum Hafen und hinaus ins Fahrwasser.

Wir hatten noch die große Genua aufgezogen, allerdings sollte es bis zum Nachmittag ein wenig mehr Wind geben und dann müssten wir das Segel wahrscheinlich etwas reffen. Bisher waren wir aber ganz gut besegelt und kamen in der mitschiebenden Strömung einigermaßen voran. Da wir trotzdem kreuzen mussten blieb es nicht aus, dass das riesige Vorsegel ein ums andere Mal von der einen auf die andere Seite gezogen werden musste, vor allem, da wir in dem engen Fahrwasser mal wieder nur kurze Schläge machen konnten. Und wie man so schön sagt: Wenn einmal der Wurm drin ist… Gerade als das Fahrwasser nach Norden abknickte, was für uns schwierig zu halten war, sah Christian einen Riss im Achterliek der Genua!

An dieser Stelle lernten wir noch etwas anderes: wir beiden sind ein unschlagbares Team! An einer etwas breiteren Stelle des Fahrwassers wendeten wir, hängten den Autopiloten ein und wechselten in Hochgeschwindigkeit das Vorsegel aus. Die riesige Genua wurde als großer Haufen unter Deck gestopft und innerhalb von weniger als 10 Minuten fuhren wir unseren kleinen Arbeitsfock unseren Kurs weiter. Wir haben mittlerweile so oft auf See oder im Hafen die Vorsegel getauscht, dass jeder Handgriff sitzt und wir uns beinahe ohne Worte verstehen. Das war in dieser Situation echtes Gold wert! Allerdings schoss uns natürlich trotzdem der Gedanke durch den Kopf wie viel Pech man eigentlich haben kann… Das Achterliek muss bei einer der vielen Wenden irgendwo in den Wanten leicht hängen geblieben sein und das UV-belastete Material ist dabei eingerissen. Den Riss können wir wahrscheinlich ganz gut flicken, aber allzu lange wird dieses Segel wohl nicht mehr überleben…

Mit der kleinen Fock kamen wir natürlich deutlich langsamer voran und anstatt zuzunehmen ließ der Wind immer mehr nach. Die Kreuzerei war so richtig frustrierend, denn im böigen Wind kamen wir mehr schlecht als recht voran. Zudem hatten wir bei dieser Volvo Penta Vertretung auch nach etlichen  Anrufen noch immer niemanden erreicht und in der ganzen Aufregung war auch irgendwie das Frühstück ausgefallen (ganz übel für Christian!). Wir entschieden also kurzerhand in Nieuwpoort reinzufahren. Der Hafen dort ist riesig und auch ohne Einsatz des Motors gut anzusteuern und wir könnten mal persönlich bei Volvo Penta vorstellig werden. Statt der geplanten 50 Seemeilen bis nach Breskens hatten wir also nur 15 Seemeilen geschafft, fühlten uns aber als wären wir gerade non-stop um die Welt gesegelt –gegen den Wind.

Anstatt für die Ansteuerung des Hafens wie üblich die Segel einzuholen und den Motor zu starten segelten wir also mit unserer kleinen Fock in die Hafenzufahrt und riefen auf dem Weg schon in der Marina an. Wegen unseres Motorschadens wies man uns dort einen Liegeplatz vor Kopf am Steg mit viel Manövrierraum zu, worüber wir uns natürlich sehr freuten. Die Genua blieb erst mal stehen, denn ich wollte vor dem Liegeplatz eine Wende fahren um dann gegen den Wind an den Steg zu fahren. Als wir gewendet hatten zog Christian blitzschnell die Genua rein und startete den Motor im Leerlauf. Der Wind bremste uns genug aus, dass wir mit kontrollierter Restfahrt an den Steg kam und Christian konnte die Spring festmachen. Erst als kurz danach alle Leinen fest waren verriet ich ihm, dass ich den Motor während des ganzen Manövers nicht eingekuppelt hatte. Wir waren unser erstes Anlegemanöver unter Segeln gefahren und ehrlich gesagt bin ich da ziemlich stolz drauf!

Nach einem Spaziergang zu Volvo Penta stellten wir fest, dass die Niederlassung doch allen Ernstes vor ein paar Tagen dicht gemacht hat! Unfassbar, aber das erklärte auch warum niemand als Telefon gegangen war. Auch ein anderer Motorendienst konnte uns nicht helfen. Die Dame war zwar wahnsinnig nett als Christian ihr in beeindruckend gutem Holländisch unser Problem schilderte, aber von den drei Mechanikern in ihrer Werkstatt war einer krank und einer im Urlaub. Der Dritte war völlig ausgelastet. Zudem erklärte auch sie uns was wir eigentlich schon wussten: so eine Reparatur ist wahnsinnig aufwändig und man weiß vorher nie welchen Schaden man genau findet. Es könnte also sehr lange dauern und wenn es ganz dumm läuft müsste sogar der Motorblock herausgehoben werden, wofür man wahrscheinlich vorher das ganze Boot aus dem Wasser holen muss.

Wir haben uns jetzt dazu entschieden von Tag zu Tag zu schauen was wir machen können. Das Gefühl der Niederlage falls wir Hamburg nicht mehr erreichen ist nicht mehr ganz so nagend, aber wir wollen trotzdem alles tun was möglich ist um unsere Reise wie geplant zuende zu bringen. Morgen könnten wir noch mal die Möglichkeit haben doch noch nach Breskens zu kommen. Es ist etwas mehr Wind vorhergesagt als für heute und die Distanz beträgt jetzt nur noch 35 Meilen und wir könnten auch noch in Zeebrügge halt machen falls das nötig wäre. Beide Häfen wären mit minimalem Motoreinsatz gut anlaufbar. Ob wir weiterfahren werden wir aber wahrscheinlich erst heute Abend oder morgen früh entscheiden.

In Breskens könnten wir noch mal nach einem Mechaniker schauen, auch wenn wir dann wahrscheinlich davon ausgehen können, dass Hamburg als Ziel nicht mehr drin ist. Alternativ ist Breskens ein schöner Ort um auf eine Winddrehung zu warten. Heute gab es in den Vorhersagen zum ersten Mal seit Wochen eine kleine Aussicht auf Westwind (auch wenn die noch absoluter Kaffeesatz ist). Wir würden also solange die Zeit genießen und ein bisschen Urlaub in Holland machen. Auch wenn es nach allem was wir in den letzten 11 Monaten erlebt haben unglaublich erscheint, aber wir können gerade ganz dringend mal Urlaub gebrauchen…. Falls der Westwind gegen Mitte Juli noch kommen sollte würden wir versuchen möglichst weit in Richtung Hamburg zu kommen. Ijmuiden und Den Helder sind nicht nicht weit weg und für die Strecke nach Cuxhaven würden wir wahrscheinlich auch nur ein paar Tage brauchen, also besteht noch ein wenig Hoffnung. Bis dahin drückt uns fest die Daumen!

-Steffi